Warum E-Invoicing-Projekte oft unterschätzt werden – und wie Unternehmen sie erfolgreich umsetzen
Spätestens mit der bevorstehenden Einführung der E-Rechnungspflicht in Deutschland ab 2025 (für den Empfang) und ab 2027 (für die Ausstellung) sowie der europäischen Reforminitiative ViDA (VAT in the Digital Age) steht fest: Die elektronische Rechnung wird für international tätige Unternehmen zur Pflicht.
Was nach einem rein technischen Umstellungsprojekt klingt – ein EU-weiter Standard (EN 16931), moderne ERP-Systeme, zentralisierte Steuerabteilungen – entpuppt sich in der Praxis als tiefgreifende Transformation.
In meiner Rolle als Projektmanager begleite ich internationale Konzerne bei der Einführung von E-Invoicing-Lösungen. Dabei sehe ich regelmäßig dieselben strategischen und operativen Herausforderungen. Dieser Beitrag benennt die sieben häufigsten Denkfehler – und zeigt, wie sie sich vermeiden lassen.
1. Denkfehler: „Das ist ein IT-Thema – Finance ist nur Abnehmer“
E-Invoicing wird oft als technisches Projekt gestartet – mit Fokus auf Dateiformate, Schnittstellen und Systemintegration. Dabei betrifft die Einführung der E-Rechnung weit mehr als nur die technische Umstellung: Sie greift tief in steuerlich relevante Prozesse ein, insbesondere im Hinblick auf die gesetzeskonforme Erstellung, Aus und Zustellung, Archivierung und Meldung von Rechnungsdaten.
Was häufig übersehen wird: In vielen Ländern ist die elektronische Rechnungsstellung integraler Bestandteil des steuerlichen Kontrollsystems. Das betrifft unter anderem gesetzliche Vorgaben zu Meldefristen, Validierungsregeln oder Anforderungen an die strukturierte, nachvollziehbare Verarbeitung von Transaktionen. Wird die steuerliche Perspektive zu spät einbezogen, entstehen nicht nur operative Brüche – es drohen auch Compliance-Risiken.
Ein Blick aus der Projektpraxis:
Wenn steuerliche Anforderungen erst in der Testphase berücksichtigt werden, muss häufig an der technischen Architektur oder dem Format der elektronischen Rechnungen nachgebessert werden – sei es eine XRechnung oder ein ZUGFeRD-Dokument. Das kostet Zeit, Ressourcen – und kann zu Verstößen gegen nationale Vorgaben führen. In stark regulierten Märkten wie Italien oder Kolumbien ist daher die frühzeitige Einbindung steuerlicher Abteilungen entscheidend für eine erfolgreiche Implementierung.
2. Denkfehler: „In der EU ist E-Invoicing harmonisiert – das reicht uns“
Viele Unternehmen verlassen sich bei der Einführung der E-Rechnung auf die europäische Norm EN 16931 – und gehen davon aus, dass diese in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt wurde. Die Praxis zeigt jedoch ein anderes Bild: Nicht nur jedes Land innerhalb der Europäischen Union interpretiert die Vorgaben im Rahmen seines nationalen Steuerrechts – was zu teils erheblichen Unterschieden führt. Auch international gibt es unzählige Formate, Standards und Vorgaben, die untereinander oft nur sehr eingeschränkt – oder überhaupt nicht – kompatibel sind.
In Polen müssen elektronische Rechnungen etwa über das zentrale KSeF-System gemeldet werden – in einem landesspezifischen XML-Format mit klaren Anforderungen an die Echtzeitverarbeitung. Frankreich hingegen plant ab 2026 ein nationales E-Invoicing- und E-Reporting-System, das mehrere staatlich zertifizierte Plattformen (PDPs) einbindet. In Deutschland sind aktuell keine Clearance-Verfahren vorgesehen – hier liegt der Fokus auf dem Empfang strukturierter Rechnungen gemäß der europäischen Norm. Es gibt allerdings mit XRechnung und ZUGFeRD gleich zwei „gleichwertige“ Standard-Formate.
Erfahrung aus internationalen Rollouts:
Viele Unternehmen setzen auf ein standardisiertes Format für ihre digitalen Transaktionsdokumente – und erleben dennoch Ablehnungen. Der Grund: In Ländern wie Frankreich, Polen oder Italien gelten zum Teil unterschiedliche Steuerregeln und -sätze, aber auch mitunter abweichende Pflichtfelder und Validierungsregeln. Die EU-Standards bieten wertvolle Orientierung, ersetzen jedoch nicht die sorgfältige Prüfung nationaler Anforderungen im Rahmen der jeweiligen Implementierung. Um wirklich global interoperabel zu sein, lohnt sich daher zunächst die Einführung eines konzernweit einheitlichen Daten- und Dokumentenformats wie dem Pagero Universal Format. So ein aktiv gewartetes, supportetes und ständig weiterentwickeltes Einheitsformat hat dann nämlich einen entscheidenden Vorteil: Es macht das „Entwirren“, Verstehen und Anwenden unterschiedlichster nationaler wie internationaler Compliance-Modell und -vorgaben auch in komplexen, multinationalen Konzernstrukturen erst effektiv überhaupt möglich.
3. Denkfehler: „Wir führen eine globale Lösung ein – das muss reichen“
Viele Finanzverantwortliche unterschätzen, dass sich E-Invoicing nicht durch eine zentrale Standardlösung für alle Länder abbilden lässt – zumindest nicht ohne erhebliche Anpassungen. Denn die regulatorischen Anforderungen unterscheiden sich weltweit nicht nur im Detail, sondern oft im grundlegenden Modell der elektronischen Rechnungsstellung.
Einige Länder setzen auf sogenannte Clearance-Verfahren, bei denen Rechnungen in Echtzeit an die Steuerbehörde übermittelt, validiert und freigegeben werden müssen – etwa in Mexiko, Brasilien, Indien oder Ungarn. Diese Modelle sind technisch anspruchsvoll, erfordern länderspezifische Formate, digitale Zertifikate und dedizierte Schnittstellen – und lassen keinerlei Abweichungen vom gesetzlich vorgegebenen Ablauf zu.
Demgegenüber stehen Länder wie Schweden, Deutschland oder die Niederlande, die auf den Austausch strukturierter elektronischer Rechnungen im B2B-Umfeld setzen – zum Beispiel über Peppol – und keine zentrale Validierung in Echtzeit verlangen. Auch dort gelten jedoch nationale Vorgaben zu Pflichtfeldern, Archivierung und gesetzlicher Konformität, selbst wenn die Formate auf der europäischen Norm EN 16931 basieren.
Ein häufiges Szenario:
Globale Lösungen scheitern oft an lokalen Anforderungen. Wer Clearance-Länder wie Mexiko oder Italien genauso behandelt wie post-audit-basierte Länder, riskiert abgelehnte Rechnungen, Fehlermeldungen oder Verstöße gegen steuerliche Pflichten. Erfolgreiche Unternehmen kombinieren eine zentrale Strategie mit länderspezifischer Umsetzung – regelkonform, skalierbar und integriert in ihre bestehenden Prozesse.
4. Denkfehler: „Unser ERP ist modern – das bekommen wir intern abgebildet“
Moderne ERP-Systeme wie SAP S/4HANA, Oracle oder Microsoft Dynamics bieten viele technische Möglichkeiten – doch sie sind nicht von Haus aus auf die Vielzahl regulatorischer E-Invoicing-Anforderungen vorbereitet. Vor allem in Konzernen mit mehreren ERP-Instanzen, lokalen Anpassungen und gewachsenen IT-Strukturen entstehen dadurch schnell Brüche im Prozess.
Die Herausforderung liegt nicht nur in der technischen Anbindung, sondern auch in der standardisierten Aufbereitung steuerlich relevanter Daten (beispielsweise Steuerschlüssel, Rechnungsarten, Länderkennungen). Zudem erfordern viele Länder zusätzliche Validierungen, die über das ERP nicht abbildbar sind – etwa Authentifizierungsverfahren, digitale Signaturen oder Echtzeit-Rückmeldungen von Behörden.
Aus der Umsetzungsperspektive:
Selbst innerhalb eines Konzerns sehen wir regelmäßig gleich mehrere verschiedene Versionen desselben Systems. Eine Middleware, die Validierung, Formatkonvertierung und Länderlogik abdeckt, ist deshalb unverzichtbar – gerade wenn Compliance-Vorgaben systemübergreifend einzuhalten sind. Beim elektronischen Rechnungseingang sollte Einfachheit daher stets oberstes Gebot sein. Außerdem sollte man auch heute bereits die zunehmenden Real-Time-Reporting-Modelle wie in Singapur, den VAE oder Frankreich sowie spezielle Dokumententypen wie in Polen in die längerfristige IT- und Compliance-Roadmap einbeziehen.
5. Denkfehler: „Wenn wir die Rechnungen elektronisch versenden, sind wir compliant“
In vielen Ländern endet der E-Invoicing-Prozess nicht mit dem Versand der Rechnung an den Empfänger. Stattdessen müssen Rechnungen zusätzlich in einem bestimmten Format gemeldet, elektronisch signiert, archiviert oder von der Steuerbehörde genehmigt werden. Das betrifft insbesondere Märkte mit Clearance- oder Echtzeit-Reporting-Modellen.
Beispiel: In Brasilien darf eine Rechnung (Nota Fiscal) beispielsweise erst erstellt werden, wenn sie zuvor von der Steuerbehörde validiert und freigegeben wurde. Auch in Ländern wie Indien oder Chile ist eine vorlaufende Meldung Voraussetzung für die steuerliche Gültigkeit einer Rechnung.
In vielen Fällen gilt: Ohne gültige Validierung keine Buchung, kein Vorsteuerabzug – und damit auch keine Zahlungsabwicklung.
Praxisfall aus einem globalen Projekt:
Ein US-Konzern, der nach Brasilien expandierte, musste sein Rechnungswesen grundlegend anpassen. Ohne vorherige Genehmigung durch die Behörden ist dort keine steuerlich gültige Rechnung möglich. Der Versand alleine reicht nicht – Compliance beginnt mit der Datenqualität und Prozesslogik vor der Rechnungserstellung.
6. Denkfehler: „Unser Shared Service Center kann das zentral abbilden“
Shared Service Center (SSC) sind zentrale Hebel zur Standardisierung und Effizienzsteigerung in multinationalen Konzernen. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen in vielen Ländern verlangen, dass bestimmte Prozesse lokal im Ursprungsland ausgeführt werden – etwa digitale Signaturen, Archivierungspflichten oder gesetzlich geforderte Infrastrukturanbindungen.
Beispiel: In Frankreich dürfen Rechnungen künftig nur noch über staatlich zertifizierte Plattformen versendet oder empfangen werden. In Griechenland müssen Daten zusätzlich über die Plattform „myDATA“ gemeldet werden. In China verlangt die lokale Gesetzgebung die Nutzung staatlicher Systeme, die ausschließlich inländisch gehostet werden dürfen.
Ein Erfahrungswert aus Europa:
Wenn technische oder rechtliche Anforderungen eine lokale Komponente erzwingen, stößt das zentrale Steuerungsmodell an Grenzen. Unternehmen müssen hybride Modelle entwickeln, in denen zentrale Governance mit lokalem Handeln kombiniert wird – unterstützt durch global skalierbare Plattformen mit länderspezifischer Expertise.
7. Denkfehler: „Wir machen das parallel zu anderen Projekten – das passt schon“
E-Invoicing-Projekte werden oft als technischer Nebenschauplatz behandelt – parallel zu ERP-Rollouts, Finance-Transformationen oder Tax-Engine-Implementierungen. Doch gerade in multinationalen Strukturen ist der Umstieg auf E-Invoicing ein eigenständiges Change-Projekt, das eine enge Verzahnung mit lokalen Anforderungen, internen Prozessen und bestehenden Systemen erfordert.
Unternehmen, die das Projekt intern „mitlaufen lassen“, unterschätzen häufig den Koordinationsaufwand zwischen IT, Tax, Finance und lokalen Einheiten. Zudem fehlt es oft an klaren Verantwortlichkeiten, Budgetierung und Schulungsmaßnahmen für lokale Stakeholder.
Ein Projekt-Takeaway:
Projekte mit klarer Priorisierung, definierten Verantwortlichkeiten und ausreichender Ressourcenplanung laufen stabiler – und liefern den Mehrwert, den moderne Rechnungsprozesse heute bieten können. Erfolgreiche Unternehmen planen dedizierte E-Invoicing-Projekte mit eigenem Projektteam, Phasenmodell und realistischer Zeitschiene – idealerweise verankert in der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens.
E-Invoicing ist kein Tool – es ist ein unternehmensweiter Prozess
Die Einführung der elektronischen Rechnung ist nicht nur eine Reaktion auf regulatorische Anforderungen – sie ist ein Transformationsprojekt, das IT, Steuern, Finance und Compliance gleichermaßen betrifft. Wer frühzeitig interdisziplinär denkt, regulatorisches Know-how mit technischen Möglichkeiten verbindet und länderspezifische Besonderheiten berücksichtigt, schafft nicht nur Rechtskonformität – sondern auch operative Effizienz.
So unterstützt Pagero Ihr Unternehmen beim internationalen E-Invoicing
Die E-Rechnung entwickelt sich international zur Voraussetzung für steuerliche Transparenz, Effizienz und digitale Transformation. Insbesondere in multinationalen Unternehmen ist die Umsetzung mit hohen Anforderungen verbunden – etwa durch unterschiedliche gesetzliche Vorgaben zur elektronischen Rechnungsstellung, komplexe ERP-Architekturen, fragmentierte Steuerprozesse und länderspezifische Formate wie XRechnung oder ZUGFeRD.
Pagero unterstützt Unternehmen mit einer vollständig skalierbaren, standardbasierten Lösung für E-Invoicing und Compliance in über 75 Ländern. Unser offenes, cloudbasiertes Netzwerk ermöglicht den automatisierten Austausch strukturierter elektronischer Rechnungen – unabhängig von System, Standort oder Rechnungsformat. Durch die tiefe Integration in bestehende ERP- und Buchhaltungssysteme sowie die Unterstützung von Anforderungen wie Echtzeitverarbeitung, E-Reporting oder E-Archivierung erfüllen Sie nicht nur lokale E-Rechnungspflichten, sondern steigern gleichzeitig die Effizienz und Qualität Ihrer Rechnungsprozesse.
Von der initialen Anforderungsanalyse über die technische Implementierung bis zur fortlaufenden Aktualisierung bei regulatorischen Änderungen begleiten wir Sie entlang des gesamten E-Invoicing-Rollouts – mit zentraler Steuerung und lokaler Expertise.
Das heißt: Ob Sie ein länderübergreifendes Projekt planen, die E-Rechnungspflicht in Deutschland ab 2025 als strategischen Einstieg in eine globale Standardisierung nutzen möchten oder eine Lösung suchen, die sich in Ihre bestehende Systemlandschaft integriert statt sie zu ersetzen – Pagero ist Ihr zuverlässiger Partner für gesetzeskonforme, automatisierte Rechnungsstellung und Steuerreporting weltweit.
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